Vor rund siebzig Jahren habe ich meiner Mutter das Inhaltsverzeichnis eines Gedichtbands von Max Bolliger so vorgelesen, als seiʼs ein Gedicht:
»Hände einer traurigen Frau / Auch das ist gut / März / Ganz ohne Schwere«
Meine Mutter hat mir geglaubt, und wir haben dann sehr gelacht.
Heute habe ich auf dem Computer bei GPT-3 Folgendes eingespeist: »Bitte Gedicht schreiben: Hände einer traurigen Frau«. GPT-3 ist ein Sprachmodell mit künstlicher Intelligenz. In Sekundenschnelle wurde ein neues Gedicht nach dem andern ausgespuckt. Zwei Beispiele:
»Wenn ich meine Hände betrachte, / sehe ich die Stelle, / wo einmal mein Ring steckte, / den ich so liebte, / doch er ist nicht mehr da, / denn er wurde mir genommen, / als mein Liebster starb.«
Oder:
»Was ist das Schönste an den Händen einer traurigen Frau? / Dass sie immer noch sanft sein können, / wenn alles andere schon längst verloren ist.«
Also: Ein bisschen unheimlich ist mir das schon.